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  • Beitrag veröffentlicht:30. Januar 2022
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Ich rede meist sehr gerne und sehr viel. Und ganz oft ist es mir gar nicht bewusst, welche Worte ich wie oft in einem Gespräch verwende. Doch diesen Satz habe ich in dieser Woche bei so vielen Gelegenheiten gesagt, dass ich es nicht mehr länger ignorieren konnte. Wie komme ich dazu?

Wie bestimmt fast jede von euch habe auch ich ein bestimmtes Bild von mir in meinem Kopf, wie ich mich selbst gerne sehen möchte und wie ich auch von anderen wahrgenommen werden möchte. Hier kann ich alle Adjektive aufzählen, die wir allgemein als positiv an Menschen bewerten würden: loyal, ehrlich, freundlich, zuverlässig, hilfsbereit…Wer möchte nicht so sein? Doch es bedeutet auch im Umkehrschluss, dass wir es tunlichst vermeiden wollen, auf die andere Seite der beliebtesten Eigenschaften zu rutschen. Und so schaffen wir uns Hilfsstrategien, damit das nicht passiert. Wir versuchen zum Beispiel vorwegzunehmen, was andere über uns denken könnten und unser Verhalten entsprechend anzupassen. Ich rufe dort mal lieber erst morgen an, sonst könnte es aufdringlich wirken. Ich kann da doch jetzt nicht noch einmal nachfragen, wer weiß, was meine Kollegin dann denkt. Ich bringe mal den Müll noch raus, wie wirkt das denn auf die Gäste. Das allein ist schon ziemlich anstrengend, wenn nicht sogar unmöglich. Denn wir können nicht wissen, was andere über uns denken und es voraussehen zu wollen, hinterlässt ein Wirrwarr unzähliger Möglichkeiten und Handlungsoptionen. Kein Wunder, dass wir dann spätestens am Abend Kopfschmerzen haben.

Aber es kann sogar noch weiterführen. Sollte das Vorwegnehmen aus irgendeinem Grund nicht funktioniert haben, steht der Verdacht im Raum, wir könnten falsch verstanden worden sein und damit in die Schublade ungewollter Persönlichkeitsmerkmale rutschen. Dann haben wir meist den inneren Drang, es geradezubiegen. So wie ich diese Woche: Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich gestern im Stress war als du angerufen hast. Nicht, dass du denkst, ich wäre verstimmt. Ich wollte dir nur sagen, dass ich auch gerne mal auf deine Kinder aufpasse. Nicht, dass du denkst ich nutze deine Hilfsbereitschaft aus. Das ist dann leider noch anstrengender. Denn wir haben nicht nur vorausgedacht, wir müssen auch noch an dem gewollten Bild von uns nacharbeiten. Wenn ich mir das bewusst mache, wird mir klar, welche Herkulesaufgabe ich mir da auferlege. Umwege und viel zu viele Gedanken, um zu vermeiden, dass ein anderer mir nicht gewollte Eigenschaften zuschreibt – und dabei ist es nicht einmal wichtig, ob er das wirklich tut oder die Idee nur in meinem Kopf existiert. Ich will einfach nicht so sein!

Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass wir den Schmerz nicht spüren wollen, den es in uns auslösen würde, uns mit dem anderen Ende der Beliebtheitsskala zu konfrontieren. Allein der Gedanke verursacht Bauchgrummeln. Und dennoch frage ich mich gerade, ob der Preis für all diese künstlichen Traumwelten in meinem Kopf nicht doch ein bisschen zu hoch ist – kontrollieren, erahnen, rechtfertigen, ausschweifend erklären. Spaß macht es mir nicht. Doch was passiert, wenn ich den Impuls, über mein Handeln zu grübeln und es rechtfertigen zu wollen, zwar wahrnehme, ihn aber einfach mal ignoriere. Wenn ich trotzdem meinen intuitiven Entscheidungen folge. Vielleicht mit einem Satz der Erklärung, aber keine fünfminütigen Sprachnachrichten mehr des Warum und Wieso. Denn es ist okay. Rutsche ich wirklich so tief in meinem Ansehen und dem anderer? Passiert wirklich das, was ich mir ausgemalt habe? Und wenn ja, wie fühlt es sich dann an? Ich bin gespannt.

Meine Impulse für dich:

 

#1 Wie oft handelst du nicht nach deiner Intuition oder danach, ob du gerade Lust darauf hast oder nicht, weil du erst noch bedenkst, in welches Licht es dich bei anderen rückt?

 

#2 In welchen Situationen erklärst oder rechtfertigst du dich und dein Verhalten? Was passiert in dir, wenn du es einfach mal nicht machst?

 

Schreibe mir gerne von deinen Erfahrungen oder erzähle mir davon in meiner Mittagspause – ich freue mich auf unseren Austausch!

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